Als der greise Mann sein letztes Lied beginnt, fällt die Nervosität von ihm ab. Er muss das Stück gut kennen, denn er spielt mit geschlossenen Augen, auch wenn sich konzentrierte Ruhe über seine Züge legt. Ein hoffnungsvolles Lächeln spielt um seine Lippen.
Das Stück ist wehmütig und doch merkwürdig locker zugleich. Gehört dieser Unterton dazu oder ist dies die Fröhlichkeit des Barden, die in der Melodie mitschwingt? Ihr wisst es nicht. Genau genommen wisst ihr gar nichts über diesen Barden, sein mysteriöses Instrument, die monsterhaften Erscheinungen, diese Rätsel. Nichts.
Plötzlich knallt es und der Barde verzieht sein Gesicht: Eine Saite ist gerissen!
Die anderen Saiten folgen, eine nach der anderen zerreißt und schlägt dem Spielmann die Finger blutig.
Doch das Lied spielt weiter, schwingt in der Luft wie das Flüstern des Windes zuvor, spielt, als ob es längst die banale Voraussetzung eines materiellen Instrumentes überwunden hätte.
Vor euch entdeckt ihr ein Glitzern. Ein weißer, vertikaler Schnitt in der Landschaft tut sich auf und öffnet sich einen guten Schritt weit. Aus dem hellen Portal tritt eine hochgewachsene Frau mit feinen Zügen und langen, schwarzen Haaren. Sie wirkt edel und reich in ihren kostbaren, silberbestickten Gewändern. Dann - nur ein kurzes Blinzeln von euch - steht statt der hübschen Frau eine verrunzelte Greisin vor euch, tief gebeugt, an einem knorrigen Stab. "Genug der Illusionen", spricht sie mit knarzender Stimme.
Sie mustert euch streng und wirft einen Blick auf den Barden, der, seines Instrumentes beraubt, hilflos dasitzt und abwartet, während seine Finger unbewusst weiterzupfen.
"Das ist das letzte Rätsel, Adur. Wenn diese Helden, die du ausgewählt hast, auch die letzte Herausforderung meistern, hebe ich den Fluch auf, wie ich es dir versprochen habe. Lange genug hast du für den Diebstahl meiner Wisperharfe gebüßt. Aber wisse: Es gibt nur diesen einen Versuch. Die Harfe ist zerstört. Gelingt er nicht, wirst du auf ewig weiterwandern müssen, rastlos und stumm." Sie blickt zu euch hinüber: "Jetzt wird sich zeigen, wie weise die Wahl des Barden ist."
Sie klopft mit ihrem Stab auf den Boden und vier silbrig glänzende Kugeln schweben heraus, umgeben sie und bleiben in der Luft stehen.
"Angst, Schmerz, Terror und Entsetzen", benennt sie die schimmernden Begleiter mit ruhiger Stimme und wendet sich an euch: "Meine stärksten Illusionen. Besser ihr löst das Rätsel, ich sage es nur einmal. Hört zu, was ich von euch erwarte!
Wenn ihr es trinkt, geht ihr langsam zugrunde,
Wenn's zum König ihr bringt, wirft er euch vor die Hunde,
Viel kleiner als Staub, doch größer als die Berge,
Jünger als meine Worte, doch älter als die Zwerge.