Und aus den Wellen treten mehr und mehr Skelette. Ihr verliert den Überblick! Es ist, als würden die Gegner dem Meer entsteigen, wann immer ihr für einen Moment abgelenkt seid.
Im Morgengrauen verblassen die Greuel der Nacht. Diejenigen von euch, die sich noch auf den Füßen halten können, kehren in die Dünen zurück – doch von denen, die ihr niedergeschlagen hattet, fehlt inzwischen jede Spur. Enttäuscht gruppiert ihr euch wieder zwischen den Skeletten, denen die ersten Sonnenstrahlen Feuchtigkeit und Gestank ausgetrieben haben. Vor euren Augen werden die Knochen bleicher und bleicher, einzelne brechen knackend auseinander.
Das Dorf versammelt sich vor euch, lange bevor die Spuren der Nacht unkenntlich geworden sind. Ihr hebt einige Schädel an, zeigt die Harpunen vor, legt euch Worte zurecht ... und erkennt, dass man nicht eure Beute abschätzend mustert, sondern euch. Der Bürgermeister kommt euch einige Schritte entgegen.
"Helden und Soldaten haben euren Kampf bereits gekämpft. Dann zogen sie ab! Diese Skelette überdauern am Tag nur ein paar Stunden – die Zuversicht unserer Helfer war meist vorher geschwunden."
"Warum verkündet ihr nicht frei heraus, womit ihr hier zu kämpfen habt?"
Der Bürgermeister lässt die Schultern hängen.
"Ihr kamt, um ein Rätsel zu ergründen! Wärt ihr auch gekommen, wenn ihr um die Aussichtslosigkeit dieses Kampfes gewusst hättet? Dimensionstore mögen sich zerstören lassen, Ameisenköniginnen vergraben sich nicht unerreichbar, aber das Meer – wer könnte dem Meer auf den Grund gehen?"
Betretenes Schweigen macht sich breit. Ihr fühlt euch zugleich hilflos und erleichtert, dass hier niemand von euch zu erwarten scheint, wofür ihr noch keine Lösung habt. Plötzlich regt sich euer Blocker:
"Wenn wir in einer großen Kugel hinabsinken würden ... Auf dem Grund könnten wir dann darin laufen und mit ihr zermalmen, was des Weges kommt. Vielleicht erwischen wir dabei ja auch eure Schurken!" Er lächelt glücklich. Euch stockt der Atem. Der Bürgermeister nickt bedächtig.
"Ja, eine Kugel. Interessant, dass ihr das ansprecht! Ich möchte euch etwas fragen: Wenn es eine Lösung gäbe – wenn es möglich wäre, auf den Grund des Meeres zu sinken und wieder zurückzugelangen – würdet ihr diese Reise dann wagen?"
"Stellvertretend für alle sage ich, dass uns das eine Freude wäre!"
Während ihr mit zusammengebissenen Zähnen lächelt fragt ihr euch, wann ihr eurem Blocker das letzte Mal Aufmerksamkeit gewidmet habt. Er räuspert sich noch einmal: "Meine Freunde zögern nie, mich in ausweglose Gefahren voranlaufen zu lassen!" Der Bürgermeister nickt gewichtig.
"Sehr edel von ihnen!" Eure Zustimmung hat die Menschenmenge in Raunen versetzt. Aufregung breitet sich aus, wo zuvor keinerlei Zuversicht verblieben schien. Auch der Bürgermeister scheint gerader zu stehen und durchzuatmen. "Schon einmal kam ein edler Mensch um uns beizustehen! Er war kein Abenteurer, nicht weltgewandt wie ihr es seid. Aber er war der brillanteste Denker, dem ich je begegnet bin! Ein Mann der Wissenschaft, den unsere Lage keinen Augenblick aus der Fassung gebracht hat. Und er hat einen Weg ersonnen, auf den Meeresgrund zu gelangen!"
Das klingt sehr nach dem guten Kiuo, so wie Tanara ihn beschrieben hat! Die Worte des Bürgermeisters haben allerdings erschreckende Ähnlichkeit mit einem Nachruf. Zwei Männer drängen sich plötzlich durch die Versammlung. Der eine von ihnen ist ein Hüne und bahnt dem anderen mühelos den Weg.
"Es betrübt mich, dass ihr unsere Anstrengungen bei jeder Gelegenheit zu vergessen scheint!" Die Stimme des kleineren Neuankömmlings ist so eindringlich und selbstsicher, dass sie dem Bürgermeister die Sprache raubt, so wie der Hüne die Fischer von ihrem Platz verdrängt hat. Er zwinkert euch zu. "Mein Name ist Hergus, wenn ich mich vorstellen darf. Mein großgeratener Begleiter heißt Brechus, womit er wohlbenannt ist. Wir beide sind von eurem Schlag und das ist, für uns alle, ein Glücksfall! Denn wir würden nicht mit euch reden wollen, wäret ihr so zögerlich wie diese Dörfler – und ihr würdet weiterhin nur halbe Wahrheiten zu hören bekommen, wenn wir den guten Bürgermeister nicht daran erinnern würden, ehrlich zu sein." Hergus reicht euch einem nach dem anderen die Hand und hält jedem Druck und Blick lächelnd und feinfühlig stand. "Um es kurz zu sagen: Wir sind Schatzsucher! Und wir sind bereits auf den Meeresgrund vorgedrungen und haben eine Ahnung, was dort unten noch zu finden ist. Die Gefahren sind groß, aber wenn wir uns ihnen gemeinsam stellen, dann sollten wir allem gewachsen sein! Und der Reichtum, der sich dort unten verbirgt: Wir können euch dahin führen, wo die lohnenden Funde zu zahlreich sind, als dass ihr sie zu bergen vermögt!"
Der Bürgermeister hält seinen Boden mit verschränkten Armen und gesenktem Blick. "Nicht alle Helden suchen nur das Gold!" Er mustert euch scheu. "So will ich zumindest hoffen! Man hat Menschen in die Tiefe verschleppt! Unsere Familien, unsere Freunde. Für uns sind sie der größere Schatz!"
Ihr versucht, eure Worte vorsichtig zu wählen. Aber die Frage lässt sich nur direkt stellen:
"Was lässt euch glauben, dass diese Menschen noch zu retten sind, in der Tiefe? Wie sollen sie noch am Leben sein?"
Der Bürgermeister beginnt zu strahlen, wo ihr Niedergeschlagenheit erwartet hättet:
"Wir wissen es! Wir haben beobachtet, wie einige ins Meer geführt wurden. Die Skelette machen sich eine Zauberei zu nutze, wie sie unser wissenschaftlicher Freund ersonnen hat. Man bringt die Unseren lebend in die Tiefe!"
Hergus schüttelt nun mit betrübter Miene den Kopf:
"Auch wir haben das beobachten können. Verschweigt diesen Recken nur nicht, wo ihr steht! Verschweigt ihnen nicht, dass auch Kiuo – dieser beneidenswerte Geist und Schöpfer – in die Tiefe gebracht worden ist." Nun legt Hergus den Arm um den Bürgermeister, der darunter erstarrt. "Zum Glück haben wir die Möglichkeiten des Tauchens zusammen mit Kiuo entwickelt und verfügen noch über einige seiner Konstruktionen! Viele Gelegenheiten bleiben uns nicht mehr, in die Tiefe vorzudringen – aber wir würden euch mitnehmen und führen, gleichgültig ob ihr nun zu den Schätzen wollt, oder Hoffnung hegt, die Menschen bergen zu können. Den Fischern hier sind allerdings nur Kiuos Ideen geblieben. Bis jemand diese in neue Konstrukte verwandeln kann, wird viel Zeit verstreichen!"
"Das ist nicht ganz richtig!" Ein Jüngling hat sich herangeschoben. In seiner Hand hält er eine Kugel aus Licht. Der Bürgermeister schreckt bei seinem Anblick auf. "Bjorn! Bitte, wir haben hier ernste Dinge zu besprechen!"
Euch fällt auf, dass Hergus und Brechus die Kugel voller Überraschung beäugen. Der Jüngling schüttelt den Kopf:
"Vater – ich habe Kiuo bei seinen Experimenten geholfen und nachvollzogen, was er geschaffen hat. Diese Kugel ist so gut, wie es die seinen waren. Ich werde damit in die Tiefe gehen und nach unseren Leuten suchen!" Erst als Bjorn nun in eure Richtung schaut, wird euch deutlich, wie viel Angst unter seiner Entschlossenheit liegt. "Aber mir wäre wohler, wenn ihr mich begleiten würdet!"