Selbst im Vollbesitz eurer körperlichen Kräfte hätte die Strecke von Gottfrieds Kneipe zu Valkens Anwesen einiges von eurer Zeit in Anspruch genommen. Müde wie ihr nun seid und noch dazu mit Alyssa und Irina, die ihr zum Teil tragen müsst, da sie selbst nicht richtig laufen können, im Schlepptau, kommt es euch wie eine eurer Reisen in die dunklen Lande vor und so brecht ihr beinahe in Jubel aus, als ihr das große Haus endlich vor euch erblicken könnt. Ihr wollt gerade die junge Halbelfe dazu bringen, die Tür aufzuschließen, als sich selbige auch schon öffnet und euch der Haushofmeister mit einer Verbeugung begrüßt.
„Verehrte Herrschaften, tretet bitte ein. Ich habe eure Ankunft durch Zufall von einem der Fenster im oberen Stock aus mitbekommen und da der Weg die Straße entlang ein wenig … beschwerlich erschien, habe ich mir erlaubt, die Badewannen mit heißem Wasser füllen zu lassen. Desweiteren stehen natürlich auch einige Betten zur Verfügung, alle frisch überzogen, versteht sich.“
Diese Worte klingen wie die wunderschönste Musik in euren Ohren und so lasst ihr euch gar nicht zweimal bitten, sondern werft dem Mann nur einige dankbare Blicke zu und betretet danach das Anwesen, um endlich eure verdiente Ruhe zu finden.
Die Sonne ist erneut wieder beinahe am Ende ihrer Bahn angekommen, als ihr euch genüsslich streckt und einer nach dem anderen die flauschigen Daunen verlässt. In weiser Voraussicht ist im großen Salon bereits Speis und Trank für euch angerichtet und für den Moment glaubt ihr schon, dass euch die ruhigen Tage wiedergefunden hätten, als Stimmen von der Tür aus zu vernehmen sind. Einige Augenblicke hört ihr nur eine knappe, angeregte Diskussion, bevor dann kurz darauf der Haushofmeister zu euch tritt und mit verlegenem Gesichtsausdruck zu sprechen beginnt.
„Ähm … nun … verehrte Herrschaften, das ist mir nun ein wenig … peinlich … doch … dort draußen sind drei … Herren, die darauf bestehen, mit euch zu sprechen. Ich habe keine offensichtlichen Waffen gesehen, doch da jeder von ihnen einen Umhang getragen hat, kann ich mir nicht sicher sein. Ich könnte versuchen, einen Boten zur Stadtwache zu schicken, doch kann ich nicht garantieren, dass sie ihn nicht bemerken und … nun … abfangen. Wenn es vielleicht zu viel verlangt wäre könnten sie …“
Noch bevor der Mann zu Ende sprechen kann, habt ihr bereits abgewinkt. Wenn ihr ehrlich seid hattet ihr nicht damit gerechnet, dass ihr so schnell vom Haken des Schicksals gelassen werdet und so nehmt ihr noch ein paar Bissen zu euch, bevor ihr euch langsam erhebt, eure Waffen holt und euch auf den Weg zum Eingang macht.
Als ihr auf den Platz vor dem Anwesen tretet, findet ihr dann tatsächlich drei Gestalten mit Umhängen vor, deren Gesichter euch nicht bekannt sind. Als eure Blicke jedoch auf die aufgenähten Embleme fallen, die jeweils Schwert, Bogen und Schild auf grünem Grund zeigen, ist euch sofort klar, wer euch hier erwartet. Noch während eure Hände an die Waffen wandern, tritt einer der Männer jedoch vor und hebt eine Hand.
„Moment, einen Augenblick bitte. Lasst mich erst einmal etwas sagen. Wir sind im Grunde hier, um uns bei euch zu bedanken.“
Eigentlich habt ihr mit einem sofortigen Angriff gerechnet und so könnt ihr nicht verbergen, dass euch diese Worte ein wenig überraschen. Ihr habt bei euren Begegnungen mit diesen Söldnern allerdings gelernt, dass man besser immer auf der Hut sein sollte und so entspannt ihr euch auch nicht vollends, dem Sprecher dann aber letztendlich doch bedeutend fortzufahren.
„Ihr habt uns vor kurzem geholfen ein internes … Problem zu beseitigen. Wir kümmern uns zwar im Normalfall nicht um den Hintergrund unserer Auftraggeber, doch haben wir auch unsere Prinzipien. Es gibt gewisse … Grenzen und sich mit dunkler Magie einzulassen, die Körper und Geist verzerrt, überschreitet eine davon. Wir hätten einiges zu verlieren gehabt, wenn dieser Irre weiter frei herumgelaufen wäre, darum erlaubt mir euch hiermit noch einmal unseren Dank dafür auszusprechen, dass ihr Votoran für uns … nun … sagen wir, bei seinem vorzeitigen Ruhestand hilfreich zur Seite gestanden seid.“
Knapp verbeugen sich die drei und wenden sich daraufhin auch zum Gehen. Misstrauisch seht ihr euch um, instinktiv spürend, dass hier etwas nicht stimmt und es dauert auch nur einen Augenblick, bis ihr Bewegungen auf den umliegenden Dächern Gewahr werdet.
„Allerdings“, lässt sich an dieser Stelle erneut die Stimme des Sprechers vernehmen, „gibt es auch ein weiteres … Prinzip, an das wir uns halten. Wenn wir einen Auftrag annehmen, dann bringen wir ihn auch zu Ende. Nun ja … euer Kopfgeld … wurde niemals … zurück gezogen … wisst ihr? Bitte entschuldigt, es geht hier nur ums Geschäft, es ist nichts … Persönliches, ich bin sicher ihr versteht das.“
Ihr versteht in der Tat. Sofort fächert ihr euch auf um einen besseren Überblick zu behalten und zieht euch in Richtung der Tür zurück, als mehrere Pfeile in genau diese Richtung geschossen werden. Fluchend weicht ihr zur Seite aus und könnt aus den Augenwinkeln gerade noch so erkennen, dass der Eingang zum Anwesen nun der Übungspuppe einer Bogenschützentruppe gleicht. Wie es aussieht, wollen euch diese dankbaren Gesellen nicht so einfach gehen lassen und als sich nur kurz darauf weitere Gestalten in Umhängen von den Dächern in der Umgebung abseilen, macht ihr euch entschlossen bereit und stellt euch den Klingenspringern.
Ihr seid nicht sicher, wie oft ihr nun schon den Klingenspringern bei der Flucht zugesehen habt, öfter als die meisten von euch Finger an einer Hand haben war es jedoch allemal. Auch bei dieser Begegnung haben diese Söldner wieder einmal bewiesen, was für unangenehme Gegner sie sind, doch auch dieses Mal habt ihr ihnen gezeigt, dass man sich besser nicht mit euch anlegt. Ihr seid gerade dabei Wetten abzuschließen, wie oft ihr diesen Kerlen noch über den Weg laufen müsst, bis sie ihre Lektion endlich gelernt haben, als ihr Schritte hinter euch vernehmt und Alyssa und Irina erblickt, die gerade durch die Tür kommen.
„Na, ihr findet wirklich immer und überall einen Platz und einen Anlass zum kämpfen, nicht wahr?“
Fast schon ein wenig erleichtert stellt ihr fest, dass Alyssa wieder sie selbst zu sein scheint, da sowohl ihr übliches Lächeln, als auch ihre entspannte Haltung zurück gekehrt ist. Schmunzelnd hat sie die Hände vor der Brust verschränkt und mustert euch einen Augenblick, bevor sie lachend den Kopf schüttelt.
„Wisst ihr, manchmal frage ich mich, ob mein Leben nicht sehr viel einfacher gewesen wäre, wenn wir uns niemals getroffen hätten. Andererseits wäre ich aber wohl in diesem Fall auch schon lange tot, deshalb ziehe ich all diese … aufregenden Erlebnisse in jedem Fall vor.“
Amüsiert zwinkert sie euch zu und deutet dann mit dem Daumen hinter sich.
„Meine Sachen für den Umzug nach Tiefenfels wurden mittlerweile alle geliefert, ich werde mich nun also an die Arbeit machen. Ich bin mir sicher, dass ihr euch auch wieder auf den Weg machen möchtet, immerhin hattet ihr ja gestern etwas vor und wurdet nun …ja … im Grunde mitgeschleift.“
Ein kurzes, entschuldigendes Grinsen zeigend, neigt sie kurz ihr Haupt und sieht euch dann noch einmal dankbar an.
„Wie so oft bedanke ich mich für eure Hilfe und eure Mühen. Ich hoffe … nein, denke, dass wir uns auch in der Zukunft wiedersehen werden und so wünsche ich euch erst einmal alle Gute, bis wir uns eben wiedersehen. Als kleine Entschädigung für den ganzen Aufwand habe ich den Haushofmeister angewiesen, euch Zugang zu Valkens kleiner Erfinderkammer zu gewähren. Er hat da jede Menge seltsamen Krimskrams und einen Haufen seiner „Spielzeuge“, die er eigentlich alle irgendwann nach Tiefenfels überstellen wollte. Ich kann diesen ganzen Unsinn aber so gar nicht leiden, daher nehmt euch einfach was ihr braucht. Ich sage ihm, dass ich den ganzen Krempel weggeschmissen hätte, macht euch also keine weiteren Gedanken darüber.“
Ihr seid euch nicht so ganz sicher, was ihr davon halten sollt, doch da ihr die Effizienz von Valkens seltsamen Erfindungen schon des Öfteren miterleben durftet, nehmt ihr dieses Angebot gerne an, vor allem da ihr euch sicher seid, dass die Halbelfe ihre Ankündigung ansonsten wahr macht und potentiell wertvolle Waffen und Ausrüstung einfach in den Müll wirft. Alyssa wendet sich dann mit diesen Worten zum Gehen, woraufhin Irina, die die ganze Zeit über nur grinsend zugehört hatte, vortritt und euch fröhlich zuwinkt.
„Na, das war doch ein Spaß, nicht wahr? Wo gehen wir jetzt hin? Irina hat gehört, es soll hier noch ein paar interessante-“
Ein kurzes Keuchen unterbricht den bevorstehenden Wortschwall der jungen Frau, als sie von Alyssa am Kragen gepackt und mit eiserner Faust in Richtung des Anwesens gezogen wird.
„Oh nein, kleines Biest“, lässt sich die Halbelfe vernehmen, „DU bleibst schön hier. Du hast mir genug Ärger am gestrigen Tage bereitet, jetzt wird es Zeit, dass wir uns einmal in Ruhe darüber unterhalten. Es ist übrigens klug gewesen, dein Hausmädchenkostüm mitzunehmen, das wirst du in der nächsten Zeit nämlich brauchen …“
Entsetzt starrt Irina zu Alyssa hoch, sieht dann hilfesuchend zu euch und beginnt wild mit den Armen zu wedeln und herum zu zappeln.
„Was? Nein, nein, große Schwester, nicht, bitte, Irina kann doch nicht … also nein … Irina hat kein Talent … also wirklich … hey, hey, ihr da, bitte, ihr müsst Irina helfen, ihr könnt sie doch nicht … Hiiiiiiiiiiilfeeeee!“
Mit einem Mal fällt euch ein, wie ihr in Begleitung der Stadtwache in Tiefenfels vom Haus des falschen Barons in die Nacht geführt wurdet, während die kleine Wahrsagerin fröhlich lächelnd und winkend in der Tür stand. Als Irina nun von Alyssa zum Haus geschleppt wird, erscheint euch, dass es doch so etwas wie eine Art Gerechtigkeit gibt und so ist es an euch nun fröhlich zu lächeln und zu winken, während eine gewisse junge Frau wohl in nächster Zeit trotz Zappelei und Gemaule das Leben als Hausmädchen genießen dürfen wird.