Der Knabe führt euch durch die sich leerenden Straßen von Zab'yennah. Vergeblich versucht ihr euch den Weg zu merken, die Oase ist zu groß, zu verwinkelt sind die staubigen Gassen.
Als ihr schließlich vor einem breiten, etwas abseits gelegenen Gebäude Halt macht, braucht euer junger Führer nicht zu sagen, dass dies der Palast ist:
Eine weit geschwungene Silberkuppel bedeckt die ganze Breite des weißen, im Mondlicht strahlenden Hauses. Heller Sandstein pflastert den geraden Weg bis zum säulenumrahmten Durchgang, neben dem zwei Wachen stehen.
Ganz wohl ist euch nicht, als der Junge euch an die Wachen übergibt und im Palast verschwindet, aber es beruhigt euch, dass ihr eure Waffen behalten dürft. Laut hallen eure Schritte auf dem Boden der Eingangshalle, dessen reichlich indiskretes Marmormosaik ziemlich detailliert Stellungen im Liebespiel zeigt.
Ein weiterer Durchgang und ihr steht in einem hell erleuchteten, prächtigen Garten, dessen farbenfrohe Blumenvielfalt von viel Mühe und Aufwand zeugt. Zwei Sklaven schleppen einen großen Wasserkübel heran, um die Pflanzen zu tränken. Nach den letzten Tagen in der Wüste wehrt sich etwas in euch gegen diesen verschwenderischen Luxus, aber ihr bleibt still und geht weiter. Wenn sich eure Befürchtungen als wahr herausstellen, habt ihr andere Probleme als den Wasserverbrauch des Sultans.
Ihr haltet vor einem Tor an, dessen Juwelenbesetzung verspricht, dass der Sultan nahe ist.
Und tatsächlich: Die beiden Wachen stoßen den Flügel auf und kündigen in Aswadisch eure Ankunft an. Eure Begrüßung bleibt euch angesichts des zur Schau gestellten Reichtums im Hals stecken:
Riesige Wandteppiche bedecken die Seiten des großen Saales, dessen grauer Marmorfußboden aus einem Stück gemacht zu sein scheint. Zentral steht ein mit Schnitzereien verzierter Ebenholztisch, auf dem Kristallkaraffen mit rotem Wein stehen. Und das Essen erst! Berge von duftendem Lammfleisch türmen sich neben geschnittenem und entkerntem Obst, Sesamfladen mit rötlichen Pürees reihen sich an Laibe aus Ziegenkäse und selbst Fisch entdeckt ihr auf dem lückenlos bedeckten Tisch.
Dahinter thront der Sultan unter einem purpurnen Baldachin, umgeben von Tänzerinnen, die auf ein Wedeln seiner Hand Abstand nehmen. In der Mitte seines goldenen Turbans steckt ein protziger, unverschämt großer Rubin und sein breites Lächeln entblößt Zahnreihen aus glänzendem Gold.
Und keine Spur von Lanasthur.
"Freunde! Seid willkommen und trinkt mit mir!"
Er spricht mit schwerem Akzent und schiebt ein gutturales Lachen hinterher. Köstliche Düfte steigen euch in die Nase und lassen sich eure Mägen vor Vorfreude fast schon schmerzhaft krümmen, aber die Erinnerung an den vergifteten Wein ist noch zu frisch. So verbeugt ihr euch nur und stellt euch zaghaft an den Tisch, unsicher, wo ihr euch mangels Sitzgelegenheiten niederlassen könnt.
"Freunde! Seid nicht unverschämt! Esst mit mir!"
Immer wieder fallen euch die letzten Worte der Kurtisane ein und hallen in euren Köpfen wider. Der Sultan will keine Fremden!
Und warum ist er dann so freundlich?
Oder seht ihr da etwa Spott in den Augen des Sultans blitzen? Eine plötzliche Erkenntnis durchfährt euch: Ist dies etwa nur ein Spiel, eine große Inszenierung zum Amüsement des reichsten Mannes von Zab'yennah?!
Die Lippen des Sultans kräuseln sich, bevor er höhnisch grinst:
"Freunde! Ein kleiner Tanz gefällig?"
Er klatscht in die Hände und Lautenspieler kommen in den Raum gerannt. Die Frauen um den Sultan fangen an, ihre Schleier zu schwingen.
Aber die bewaffneten Männer, die daraufhin in den Saal eilen, sehen nicht so aus, als wollten sie tanzen ...