Ihr habt schon viele Sonnenaufgänge gesehen und meist wurden sie von einem Gefühl des Friedens und stiller Andacht begleitet. Majestätisch hat sich dieser feurige Ball in flammendem Rot vom Horizont erhoben und den Beginn eines neuen Tages eingeläutet, die Dunkelheit vertrieben und nicht nur einmal die Hoffnung in eure Herzen zurück gebracht. Hier, in den dunklen Landen jedoch, hat selbst ein Sonnenaufgang den fahlen Beigeschmack von Endlichkeit und bitterem Siechtum. Bleich quält sich eine gelbliche Scheibe hinter einem Vorhang von grauen Wolken den Himmel empor, als ihr erschöpft auf der Kuppe eines der unzähligen Hügel zusammen brecht, die ihr in der Nacht überquert habt. Ihr wisst, dass euch die Zeit davon läuft, doch brauchen eure Körper diesen kurzen Moment der Ruhe, um zumindest ansatzweise wieder zu Kräften zu kommen.
Eine Weile rastet ihr und seht euch nun im trüben Licht die Gegend an. Ihr habt euch in der Nacht so gut es ging an den Sternen über euch orientiert und so eine grobe Richtung geschätzt, die es euch erlauben sollte, Alyssa und Valken rechtzeitig abzufangen. Zu eurem Glück kamt ihr schnell voran, da ihr keinen Schwarzelfen oder sonstigem gefährlichen Gezücht mehr begegnet seid, und so habt ihr immer noch Hoffnung, dass ihr nicht zu spät kommt. Ihr kramt erneut die gefundene Karte hervor und einigt euch schließlich auf mehrere Landschaftsmerkmale, bevor ihr eure Rast beendet und weiter nach Nordwesten zieht.
Es dauert nicht lange, bis ihr zu eurer Freude auf Spuren stoßt, die ihr eurer Karawane zuordnen könnt. Noch einmal mobilisiert ihr eure Kräfte und folgt der Richtung, in die sie führen, nur um dann nach einer Weile die Wagen vor euch zu sehen. Ihr gönnt euch einen Moment der Erleichterung, bevor ihr wild rufend hinterher rennt, in der Hoffnung, dass Alyssa und Valken euch bemerken und den Tross anhalten. Dies ist auch tatsächlich bald der Fall und als ihr endgültig wieder zu euren Leuten aufgeschlossen habt, blickt ihr in mehrere verwunderte Gesichter.
„Ist alles in Ordnung mit euch?“, fragt Alyssa besorgt, während Valken erst einmal mehrere Wasserschläuche bringen und sie euch dann reichen lässt.
„Ihr seht ja aus, als wären sämtliche Dämonenfürsten der Hölle hinter euch her“, schmunzelt der junge Mann, wenngleich ein wenig Verunsicherung in seiner Stimme mitschwingt.
Mit tiefen Schlucken trinkt ihr die dargebotenen Schläuche leer und erzählt dann so rasch wie möglich, was euch in den letzten Tagen widerfahren ist. Die Mienen von Alyssa und Valken verfinstern sich zunehmend und rasch lässt der junge Mann die restlichen Wachen eine Verteidigungsstellung einnehmen, während sich die Halbelfe gemeinsam mit euch noch einmal die Karte ansieht.
„Ihr hattet vollkommen recht, hierbei handelt es sich um unseren Wagenzug … irgendjemand muss ihnen gesagt haben, dass wir kommen“, murmelt Alyssa leise und fährt dann mit einem Zeigefinger die Zeichnungen ab.
„Hier … diesen Punkt hier … den haben wir vor ein paar Stunden passiert … das bedeutet dann also, dass diese Hügelgruppe wohl die dort drüben ist, was dann aber wiederum bedeu… oh …“
Noch bevor die Halbelfe zu Ende gesprochen hat, habt ihr bereits eure Waffen gezogen und schwärmt aus. In all eurer Freude, den Wagenzug offensichtlich rechtzeitig erreicht zu haben, habt ihr kaum auf eure Umgebung geachtet und so erkennt ihr erst jetzt, dass ihr an dem Punkt angekommen seid, der auf der Karte ein unheilvolles X zeigt. Fieberhaft untersucht ihr nahe Büsche und Gestrüpp und ein leiser Fluch stielt sich auf eure Lippen, als ihr die nahen, steil ansteigenden Hügel bemerkt, die die Straße hier wie eine Zange umschließen. Nur wenige Augenblicke später bestätigen sich euch eure Befürchtungen, als ihr in einem verrottenden Baumstumpf einen der Lockstäbe entdeckt. Rasch reißt ihr ihn aus dem Boden und hackt ihn in kleine Stücke, als sich bereits neben euch Pfeile in den Boden bohren und der Angriff der Schwarzelfen beginnt.